Am 12. August 2024 verstarb Prof. Dr. Franz Quarthal im 81. Lebensjahr. Von September 1990 bis September 2012 war er Inhaber des Lehrstuhls für Landesgeschichte und Leiter der Abteilung Landesgeschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart. Darüber hinaus wirkte er in zahlreichen Ämtern und Gremien der akademischen Selbstverwaltung mit.
Nach dem Abitur 1963 studierte er Geschichte, Germanistik und Romanistik an den Universitäten in Tübingen, Wien und Paris und legte 1968 das Erste Staatsexamen ab. Im Anschluss promovierte er 1973 bei Prof. Dr. Hansmartin Decker-Hauff mit einer Studie über „Landstände und landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich“. Mit seiner anschließenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für geschichtliche Landeskunde der Universität Tübingen begann seine akademische Karriere. 1982 legte er seine Habilitationsschrift „Absolutismus und Provinz: Verwaltungsreform und Herrschaftsintensivierung in den österreichischen Vorlanden zur Zeit des Absolutismus“ vor. 1984 erhielt er eine C2-Professur auf Zeit. Bis zu seinem Ruf 1989 auf die Universitätsprofessur für Neuere Geschichte und Bayerische Landesgeschichte an der Universität Passau war er in Tübingen Heisenbergstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Einen Ruf an die Universität Wien lehnte er zugunsten des Rufs an die Universität Stuttgart ab.
Die Qualifikationsarbeiten Franz Quarthals markieren seine großen Forschungsschwerpunkte: die Geschichte Vorderösterreichs und die Geschichte Oberschwabens. Zu diesen Forschungsfeldern legte er viele wichtige Publikationen vor. Zuvorderst ist hier sein umfangreicher Beitrag zu Vorderösterreich im Handbuch der baden-württembergischen Geschichte zu nennen. Er beteiligte sich auch an der musealen Präsentation des Themas und hielt damit die Erinnerung an eine wichtige Epoche südwestdeutscher Geschichte wach. Im vormals vorderösterreichischen Endingen am Kaiserstuhl entstand unter seiner Leitung (1997) das Vorderösterreich-Museum Üsenberger Hof. Zwei Jahre später entstand in Kooperation mit dem Württembergischen Landesmuseum die Landesausstellung „Vorderösterreich – Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers?“. Sie wurde in den ehemals vorderösterreichischen Städten Rottenburg am Neckar und Freiburg im Breisgau sowie auf der niederösterreichischen Schallaburg gezeigt.
Wie dieses Engagement um die Vermittlung historischer Inhalte exemplarisch zeigt, wirkte Franz Quarthal als typischer Landeshistoriker stets an der Schnittstelle von Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit. Dies belegen auch die zahllosen Vorträge, die er im Rahmen von historischen Jubiläen bis in die späten 2010er Jahre hinein gehalten hat, sei es zur Stadt- oder Adelsgeschichte oder bei historischen Vereinen.
Franz Quarthal kannte seinen südwestdeutschen Forschungsraum gut. Eine besondere enge Beziehung hatte er zu Oberschwaben. Oft erzählte er, dass ihm das Herz aufging, wenn er – von Tübingen/Rottenburg über die Schwäbische Alb kommend – das Benediktinerkloster Zwiefalten erreicht hatte, wo sich der Blick in die barocke Landschaft Oberschwabens weitet. Das mag die Inspiration für ein weiteres Forschungsfeld gewesen sein, für das wissenschaftliche Interesse an der Geschichte der Benediktiner und ihrer Klöster. Die Bayerische Benediktinerakademie hat ihn für seine Forschungen mit der Mitgliedschaft geehrt.
Franz Quarthal war gut vernetzt. Er war Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Vereinigungen, Gesellschaften und Vereine. Stellvertretend seien einige genannt: In der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg war er zunächst korrespondierendes (1986 bis 1989), dann ordentliches Mitglied (ab 1989), seit 1991 gehörte er dem Vorstand an. Bei der Jahrestagung der Kommission in Rottenburg im Juni 2024 hatte er darum gebeten, von seinen Aufgaben entbunden zu werden, er wollte aber weiterhin Mitglied der Kommission bleiben. Weiterhin war Quarthal seit 1996 Vorstandsmitglied der Gesellschaft Oberschwaben, von 2002 bis 2006 war er Vorsitzender der Gesellschaft. Nach seinem Ausscheiden wurde ihm 2020 die Ehrenmitgliedschaft verliehen. In seiner Tübinger Zeit leitete er die Tübinger Arbeitsgruppe des Alemannischen Instituts, nach der beruflichen Veränderung blieb er (Beirats)Mitglied.
Neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre kümmerte sich Franz Quarthal am Historischen Institut engagiert um den Ausbau der landesgeschichtlichen Abteilung in der Institutsbibliothek. Seine gute Vernetzung in der Landesgeschichte des deutschen Südwestens kam der Bibliothek sehr zugute.
Für seine Verdienste um die Landesgeschichte und ihre Vermittlung wurden Franz Quarthal etliche Ehrungen zuteil. 1999 erhielt er das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich 1. Klasse, 2001 den Friedrich Schiedel Wissenschaftspreis zur Geschichte Oberschwabens und 2015 den päpstlichen Silvesterorden.
Dem Verein der Freunde des Historischen Instituts gehörte Franz Quarthal seit seiner Gründung an. Der Verein profitierte in hohem Maße von der fachlichen Kompetenz Quarthals, der sich mit vielen Vorträgen zu landesgeschichtlichen Themen und etlichen, teils sogar mehrtätigen Exkursionen nach Oberschwaben und ins benachbarte Ausland, ins Elsass und in die Schweiz, in die Vereinsaktivitäten einbrachte. Als Dank für seine Verdienste verlieh ihm der Verein die Ehrenmitgliedschaft.
Das historische Institut der Universität Stuttgart und die südwestdeutsche Landesgeschichte verlieren einen renommierten Wissenschaftler, einen gefragten Vortragsredner und einen geschätzten und beliebten akademischen Lehrer. Wir werden sein Andenken in Ehren halten.
Prof. Dr. Sabine Holtz,
Geschäftsführende Direktorin des Historischen Instituts
und Leiterin der Abteilung Landesgeschichte
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